Ungefähr 10 Tage vor der Operation am Wochenende begannen recht unerwartet Alpträume und eine innere Unruhe. Ich kann gar nicht genau sagen, ob es einen bestimmten Auslöser gab aber wie nach dem Sturz 2021 in der Reha, sah ich mein Bein neben meinem Körper liegen oder andere unschöne Bilder, wachte schweißgebadet auf und schlief insgesamt wenig und sehr unruhig. Meine Gedanken kreisen seitdem fast ununterbrochen um den bevorstehenden Eingriff. Es ist nicht so, dass ich meine Entscheidung bereue oder daran zweifle. Vielmehr wird mir nun immer mehr bewusst, dass es bald soweit ist und das dieser Entschluss unumkehrbar ist. Es gibt nun kein Zurück mehr. Definitiv ist dies bis dato die größte und härteste Entscheidung meines Lebens. Einen Körperteil "freiwillig" abnehmen zu lassen, obwohl dieser ja "eigentlich" gesund ist, bis auf das Kniegelenk, ploppte immer häufiger auf. Auch wenn ich mich ja schon über einige Jahre, vor allem die letzten zwei Jahre intensiv mit dem Thema Amputation beschäftigt habe. Rückblick: Nicht nur über Google habe ich mich schlau gemacht, auch bei meinen Ärzten wie Hausärztin, Orthopäden und zuletzt dem Gefäßchirurgen holte ich mir die medizinischen Informationen inklusive Risiken ein. Über Internet und Youtube schrieb ich ebenfalls Amputierte an und hatte die Möglichkeit für ein persönliches Treffen mit Steven von Mein_Bein_und_ich.de, was mich trotz auch einiger negativ beschriebenen Erfahrungen, nochmals mehr in meiner Entscheidung bestärkt hat. Seit im Dezember 2022 nach einem sehr ausführlichen Gespräch mit meinem Gefäßchirurgen das OP Datum auf den 07.02.2023 festgelegt wurde, war es also dann endgültig und im Laufe der folgenden Tage traf ich die Entscheidung für mich final und fest. Seitdem ging es mir gut und ich ließ mich auch nicht mehr von so manchen Zweiflern verunsichern. Ja, es gibt Phantomschmerzen und ja, es fehlt mir ein Körperteil und es wird ganz sicher kein einfacher Weg aber wenn ich das alles in einer Pro und Kontra Liste gegenüberstelle, dann wird für mich die Pro Amputation Spalte überwiegen. Mein Gefäßchirurg gab mir vom ersten Gespräch an das Gefühl, dass er meine Entscheidung natürlich aus medizinischer Sicht genau belichtet aber auch mich als Person mit all meinen Einschränkungen, meiner fehlenden Lebensqualität und auch der Opiatabhängigkeit, die in der aktuellen Situation ein bodenloses Fass aufwies, beurteilt. Jedes einzelne Segment thematisierten wir und besprachen die möglichen Wege, die mir nun noch zur Verfügung standen. Am Ende der geführten Gespräche fühlte ich mich zum ersten Mal komplett verstanden und in meiner Entscheidung unterstützt. Im September wurden bereits die Voruntersuchungen für eine mögliche Amputation durchgeführt. Da ich bei meiner letzten Operation, durch den Femoraliskatheter vermutlich einen Nervenschaden davongetragen hatte, musste dieser nochmals überprüft werden, da mit einem Nervenschaden eine Prothesenversorgung so ohne Weiteres nicht möglich gewesen wäre. Röntgen und Gespräche mit Schmerztherapeuten, Neurologen wurden dabei ebenfalls berücksichtigt und flossen in die Entscheidung mit ein. Am Ende des stationären Aufenthalts besuchte mich ein vom Gefäßchirurgen empfohlener Orthopäde, der auch Leistungssportler unter Anderem Spieler der Fußball Bundesliga betreut. Der Arzt war sehr betroffen von meiner bisherigen Odyssee und bot mir als letzte Chance für eine mögliche Besserung der Beweglichkeit und auch Schmerzlinderung eine sogenannte Elektromyographie Biofeedback Therapie an. Der Plan war, dass wir durch einen gezielten Muskelaufbau, eine Reduktion der Schmerzen erreichen würden und dazu noch eine Verbesserung der Beweglichkeit, was die Teilsteife im Knie betrifft. Es war ein Versuch, eine Möglichkeit, ein letzter Strohhalm, den ich gerne annahm. Für den kommenden Morgen versprach er mir den Besuch seiner angestellten Physiotherapeutin, die für die geplante Elektromyographie (EMG) ausgebildet ist. Dazu wurden kleine Klebeelektroden auf den Bereich der Oberschenkelmuskeln geklebt, welche durch gezielte Anspannung der Muskeln einen gemessenen Wert an ein Tablett sendeten und ihr dort anzeigten, wie stark mein Muskel arbeitet und Ansteuerungsdefizite verdeutlicht. Mit einem speziellen und auf mich ausgerichteten Training und Übungen konnte ich innerhalb von knapp 3 Monaten meine Muskelkraft von einem Wert von 30 auf 210 steigern, was wirklich gut war aber leider zur Folge hatte, das nicht wie erhofft der Schmerz gelindert wurde, sondern sogar noch weiter anstieg. Damit wurde Anfang Dezember der Versuch leider für gescheitert erklärt. Ich besprach dies mit dem Arzt, der nun ebenfalls der Meinung war, dass nun alle schulmedizinischen Therapien und Möglichkeiten ausgeschöpft waren. Zurück zur aktuellen Lage von vor der geplanten Operation am 07.02.2023... Die Woche vor der OP hatte ich gefühlt ununterbrochen Besuch, Telefonate und Gespräche von und mit so vielen Menschen, die Anteil an meiner Situation hatten, sodass mein Kopf in diesen Tagen in keinster Weise zur Ruhe kam. Alles drehte sich um das Bein, die OP und meine aktuelle Gefühlslage und somit war ich auch irgendwie froh, als es dann endlich losging und der Tag der Aufnahme in der Hochtaunusklinik Bad Homburg bevorstand.
...Fotos folgen...
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